Dresden, 19.-21.4.2018
Digitalisierung und Wissensproduktion sind längst miteinander verknüpft, und sowohl die Geschichtswissenschaft als auch die Kulturanthropologie reagieren auf diese Entwicklung. Fast jede Forschung beginnt vermutlich mit einem Mausklick, mit einer ersten Sondierung im Internet. Auch zentrale Schritte wie Recherche und Kommunikation werden über dieses Medium vorgenommen. Dadurch hat sich die Praxis wissenschaftlichen Arbeitens verändert und in vielerlei Hinsicht vereinfacht. Zugleich ist die Forschung mit einer Vielfalt neuer Quellen und einem Anstieg an Datenmengen konfrontiert. Deren Generierung und Präsentation sowie die Vermittlung der Ergebnisse erfordern spezifische Kompetenzen seitens der Forschenden und entsprechende technische Hilfsmittel. Wissenschaft muss von der ersten Idee bis zur Präsentation der Ergebnisse neu strukturiert und organisiert werden – das betrifft sowohl erhobene Quellen und Daten wie auch die wissenschaftlichen Ergebnisse.
Das Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde möchte mit dieser Konferenz in einer Zwischenbilanz bisherige Umgangsweisen und Erfahrungen mit Herausforderungen und Zukunftsentwürfen in Bezug auf die digitale Wissensproduktion verbinden. Damit soll auch die eigene Wissenschaftspraxis reflektiert werden, die sowohl auf klassischer Medialität wie auf Digitalisierung basiert. Thematisch bewegt sich die Tagung im Spannungsfeld zwischen Forschung und Medialisierung von Ergebnissen, zwischen den Auswirkungen auf die wissenschaftliche Arbeit sowie den dadurch erweiterten Möglichkeitsräumen. In diesem Zusammenhang interessiert auch, ob und ggf. wie Förderpraktiken, die angestrebte Barrierefreiheit (auch im Internet) und die Forderung nach „open data“ Form und Inhalt geistes- und sozialwissenschaftlicher Arbeit prägen.
Die Konferenz will sich den digitalen Wissenspraktiken auf drei Ebenen annähern.
A. Datengenerierung und Dokumentation im Forschungsprozess
Für die Datenerhebung sind Internet und Digitalisierung vielfach unabdingbar, sie stellen eine zentrale und wichtige Ergänzung bisheriger Formen der Wissensproduktion und Datengenerierung (wie Archivrecherchen, Interviews oder teilnehmende Beobachtung) dar. Das Internet wird nicht nur für die Recherche genutzt, sondern es werden auch ethnografische Methoden auf den digitalen Raum ausgeweitet.
- Was bedeutet die Generierung und Verwaltung digitaler Daten für die Entwicklung von und die Ansprüche an Methoden? Wie werden Daten im Forschungsprozess gesichert?
- Was bedeutet die Möglichkeit, Daten auch oder in einigen Fällen sogar ausschließlich digital erheben zu können für den Zuschnitt von Forschungsdesigns? Welche digitalen Räume bzw. Medien kommen für welche Projekte in Frage, werden einbezogen oder außen vor gelassen?
- Wie verändert sich durch die Berücksichtigung digitaler Räume die Forschungspraxis? Das betrifft sowohl die Frage nach dem konkreten Aufenthaltsort der Forschenden als auch nach neuen Kommunikationsräumen.
B. Präsentation von und Umgang mit Forschungsdaten
Über die Forderung des „open access“ hinaus will „open data“ auch sämtliche dem Forschungsergebnis zugrundeliegenden „Daten“ verfügbar und zugänglich gehalten sehen. Daraus ergeben sich tiefgreifende Konsequenzen sowohl für die Gegenstände geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung als auch für die Forschenden, die ihre Quellen und Arbeitsschritte transparent machen wollen und müssen. Durch die neuen digitalen Such- und Vernetzungsmöglichkeiten wird insbesondere der Zwiespalt zwischen der Forschungsfreiheit einerseits und dem Schutz von Individuen und ihren Persönlichkeitsrechten sowie den wissenschaftlichen Verwertungsrechten andererseits virulent. Exemplarisch könnten die skizzierten Problemlagen beispielsweise an der Verknüpfung von Editionen mit Bild- und Sachdatenbanken in den Blick genommen werden.
- Welche Forschungsdaten eignen sich zur Präsentation im Sinne des „open data“-Konzepts?
- Lässt sich für die Forschungsdaten die Langzeitarchivierung, deren technische Anforderungen noch nicht hinreichend geklärt sind, angesichts der permanenten technischen Weiterentwicklung tatsächlich realisieren? Ist die Realisierung überhaupt wünschenswert?
- Welche Anforderungen für Nutzungsfreundlichkeit oder auch rechtliche Fragestellungen ergeben sich aus den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung?
C. Vermittlung und Formate von Forschungsergebnissen
Die Digitalisierung ermöglicht eine zügige Publikation von wissenschaftlichen (Teil-)Ergebnissen und eröffnet eine beschleunigte Kommunikation. Forschungsstand und Bearbeitungsschritte können begleitend vermittelt werden, und die wissenschaftlichen Ergebnisse sind einem breiteren Publikum leichter zugänglich. Es stellt sich die Frage, wie wichtig oder auch legitim die Popularisierung von Wissen und Wissenschaft für die Forschung selbst ist. Weiterhin steht zur Diskussion, inwiefern nicht nur die Rezeption der digitalisierten Bestände, sondern auch ihrer Kontextualisierung sichergestellt werden kann.
- Welche Relevanz haben die unterschiedlichen Wissensformate, -produzenten/innen und -vermittler/innen für den Prozess der Produktion von Wissen und Wissenschaft?
- Wie stellt sich der zukünftige Umgang mit den derzeit entstehenden Publikationsformen und -formaten wie Online-Archive oder soziale Netzwerke dar?
- Inwiefern provoziert die Form der Vermittlung ein Feedback und wie können die Nutzer/innen dadurch Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit nehmen?
Die Konferenz ist interdisziplinär ausgerichtet und möchte Wissenschaftler/innen ansprechen, die sich in ihren eigenen Projekten mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen oder sich im technischen Bereich anwendungsorientiert mit digitalen Wissenssystemen beschäftigen. Ihren Vorschlag zu einem der Themenschwerpunkte richten Sie bitte in Form eines Abstracts (max. eine Seite) und einer Kurzvita bis zum 15. Oktober an forschungsdesign4.0@isgv.de